Inhaltsverzeichnis
1. Selbstlesen?! Wichtig?!
Müssen wir darüber reden, dass es wichtig ist, das eigene Kind zum Lesen zu motivieren? Eigentlich nicht, oder? Inzwischen ist wahrscheinlich allen klar, dass Lesen wichtig ist fürs ganze Leben und zum Beispiel die Sprachentwicklung unterstützt, Phantasie anregt, Konzentration fördern und auch Wissensquelle sein kann.
Insbesondere, da ihr hier beim Räuberfuchs gelandet seid und diesen Artikel lest, ist es euch wohl auch wichtig. Aber was tun, wenn das Kind einfach nicht lesen möchte?
2. Gründe, warum Kinder nicht lesen
Gründe fürs Nicht-Lesen sind natürlich individuell. Gleichzeitig gibt es ein paar Punkte, die man auf der Suche nach dem „Fehler im System“ mal checken kann und kleine Hilfestellungen, die vielleicht dienlich sein können. Es könnte sein, dass es einfach die falschen Bücher für dieses Kind sind, auch wenn wir sie als Erwachsene noch so toll finden. Das Interesse des Kindes ist vielleicht ein anderes oder der Sprachstil oder die Illustrationen gefallen dem Kind nicht. Oft können Kinder das gar nicht klar benennen, es läuft eher unterbewusst ab. Aber sie zeigen es uns eben, indem sie das Lesen verweigern. Leider tritt grad am Leseanfang oft eine Diskrepanz zwischen dem Lesevermögen und dem, was das Kind interessiert, auf. Die Texte, die das Kind bewältigen kann, sind zu langweilig. Und die, die total interessant sind, sind zu lang und zu komplex. Das ist normal, aber für den Prozess potenziell problematisch.
Druck ist selten eine gute Entscheidung und auch beim Lesen lernen und selber Lesen natürlich nicht dienlich. Wenn ich als begleitende Person zu hohe Erwartungen habe, fehlende Geduld und penibel auf Fehler reagiere, verringere ich damit die Lesemotivation.
Natürlich können auch eine Leseschwäche, Legasthenie oder andere Konzentrationsprobleme das Lesen erschweren. Oder der Leseort zu Hause ist unpassend, ungemütlich, mit zu vielen oder zu wenig Reizen von außen. Wenn das große Kind grad lesen soll und das Kleine hat Zeit am Tablet oder TV, um das große Kind beim Lesen nicht zu stören, verringert auch das recht wahrscheinlich die Lesemotivation, denn Lesen und digitaler Medienkonsum treten dann in Konkurrenz.
3. Was kann ich konkret tun?
Die bereits erwähnte Diskrepanz zwischen dem, was das Kind lesen kann und was es interessiert, sollte so früh wie möglich geschlossen werden. Je älter das Kind wird, desto größer wird die Diskrepanz. Im folgenden findet ihr ein paar Impulse, die vielleicht helfen können. Was im Einzelfall hilft, ist natürlich individuell. Und: auch schon etwas größere Kinder freuen sich oft über solche Kleinigkeiten.
⛺️ Umgebung anpassen:
Eine Möglichkeit kann sein, die richtigen Voraussetzungen fürs Lesen zu schaffen. Eine Umgebung, die zum Lesen einlädt und wo es weniger konkurrierende Ablenkungen gibt. Das muss natürlich nicht mit Kosten verbunden sein! Es kann eine Ecke im Kinderzimmer sein, aber auch einfach ein Platz auf dem Sofa. Natürlich kann es aber auch eine extra Leseecke geben, die gemütlich ist und einladend. Ein Hängesitz/Hängematte, Lesesessel, eine Höhle - der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt.
📚 Bücher im Fokus:
Hilfreich ist es, Bücher immer gut sichtbar und erreichbar zu platzieren. So geraten sie nicht in Vergessenheit, sind auch schnell mal zur Hand und schöne Cover wecken vielleicht die Neugier.
💁🏻♀️ Vorbildfunktion:
Noch wichtiger ist es, selbst als Vorbild zu fungieren. Als erwachsene Person selbst zu lesen und das Kind einzuladen, sich mit einem eigenen Buch dazuzusetzen. Das kann auch schon von klein auf so eingeübt werden, indem sich Kinder daneben setzen und ein Bilderbuch anschauen, während MaPa noch die Seite fertig liest oder ähnliches. Die Zeiträume müssen natürlich ans Alter angepasst werden ;-)
🎲 Spielerische Unterstützung:
Manchmal hilft es auch, spielerische Gadgets mit einzubauen, die zum Teil aus der Legasthenie Forschung kommen, von denen aber natürlich jede*r profitiert! Da gäbe es zum Beispiel bunte Lesestreifen, die helfen, den Fokus auf der jeweiligen Zeile leichter zu halten und auch, je nach Farbe, den Kontrast erhöhen und nach eigenen Seh-Vorlieben das Lesen deutlich erleichtern können. Es gibt sie manchmal auch mit bunten Tierköpfen, so dass es doppelt motivieren kann.


Auch können fidget toys zur Beschäftigung der Hände helfen, um die Konzentration zu erhöhen.
Oft ein Gamechanger: Dem Haustier oder Kuscheltier etwas Vorlesen, denn da ist die Hemmschwelle deutlich niedriger, als bei MaPa.
Manchmal kann es auch helfen, sich selbst beim Lesen besser zu hören. Dafür können Höhrrohre genutzt werden. Der Effekt ist faszinierend - solche Rohre gibts im Baumarkt. ;-)
Außerdem sehr motivierend: Eine Lesekrone nach der Idee von Caroline von St. Ange. Dafür einfach einen Papierstreifen auf die Kopfgröße des Kindes anpassen, zusammenkleben und für jedes gelesene Wort/Abschnitt/Seite/Aufgabe eine Wäscheklammer anbringen. So entsteht nach und nach eine Lesekrone, worauf das Kind stolz sein kann. Wirkt zu kindlich? Auch größere Kinder finden das noch toll! Am besten, wenn sie dann als König*in noch 5 Minuten regieren dürfen. ;-)

🔎 Jedes Lesen ist Lesen:
Manche Eltern haben das Gefühl, nur das Lesen von Büchern sei „richtiges Lesen“. Dem ist nicht so und jedes Lesen hilft der Lesefähigkeit. Es ist ganz egal, ob es ein dickes Buch ist, ein Comic, eine Graphic Novel, die Bedienungsanleitung für das neue Gesellschaftsspiel, ein Rezept beim Kochen oder die Einkaufsliste. Jedes Lesen zählt. Natürlich kann es hilfreich sein, sich eine tolle Bücherreihe zu suchen. Wenn der erste Band dem Kind richtig gut gefällt, liest es bestimmt gerne auch weitere. Zum Reinkommen und für die Atmosphäre und Verbindung kann es auch richtig schön sein, dem Kind vorzulesen. Vielleicht dann einfach an besonders spannender Stelle aufhören, weil man etwas wichtiges „vergessen“ hat und das kurz erledigen muss. Vielleicht liest das Kind dann in der Zwischenzeit selbst weiter… ;-) Aber auch sonst kann Vorlesen und abwechselnd Lesen das Selbstlesen anregen.
🛋️ Eigene Haltung und Atmosphäre:
Ganz wichtig ist, Lesen niemals als Strafe einzusetzen. Und da auch schon im Kleinen auf meine eigene Haltung und Formulierungen zu achten. Statt: „Jetzt musst du unbedingt noch lesen üben“ lieber sowas wie „Hui, wir haben noch Zeit, bevor xy. Komm, lass uns noch was lesen.“ Außerdem sollte die Stimmung beim Lesen immer möglichst entspannt bleiben. Wenn das Kind fast jedes Wort falsch liest, ist der Text noch zu schwer. Wenn hin und wieder ein Fehler passiert, gibt es verschiedene Wege, damit umzugehen. Ich kann zum Beispiel am Ende des Satzes fragen, ob der Satz so Sinn ergeben hat, also den Kontext und das sinnerfassende Lesen einbeziehen. Oder ich setze einen stummen Impuls, indem ich meinen Finger auf das falsch gelesene Wort lege. Hauptsache entspannt.
💌 Rituale:
Wie so oft im Alltag, kann auch beim Lesen ein gemeinsames Ritual helfen. Zum Beispiel wird immer abends vor dem Schlafengehen gemeinsam gelesen, eine Seite MaPa, eine Seite das Kind. Und auch über das Gelesene zu sprechen, kann wiederum zum Lesen anregen. „Was hat dir besonders gut gefallen? Was war spannend? Was glaubst du, wie es weitergeht?“
4. Lesemotivation durch passende Bücher
Altersgerechte und thematisch passende Bücher finden, ist manchmal gar nicht so einfach. Viele Leseanfänger*innen greifen anfangs gerne zu bekannten Büchern, die ihnen bisher immer vorgelesen wurden. Und wie oben erwähnt, ist jeder Lesestoff in Ordnung - Hauptsache es wird gelesen. Dennoch möchten wir euch hier eine kleine Auswahl an Büchern vorschlagen, in dem Wissen, dass diese nicht vollständig sein kann.
Lesemotivation durch Bücher mit Bildern, Comics oder kurze Kapitel:
Lesemotivation durch Bücherreihen und Fortsetzungsgeschichten
Lesemotivation durch Sachbücher für wissbegierige Kinder:
5. Persönliches Fazit
Jedes Kind ist anders – Geduld und individuelle Begleitung sind wie so oft entscheidend. Das Ziel sollte immer sein: Lesen soll Freude machen, nicht zur Pflicht werden. Als Eltern haben wir die Rolle, Vorbild zu sein, neugierig zu machen und zu unterstützen. Ohne Druck und ohne unsere Beziehung zu gefährden.
Alle oben genannten Tipps und Tricks sind von mir als Förderschullehrerin in meinem Klassenzimmer getestet. Fidget Toys, Lesestreifen, Höhrrohr, Lesekrone - das alles kommt regelmäßig zum Einsatz. Und auch als Mutter achte ich darauf, dass Bücher im Fokus sind und möglichst tägliches Lesen, auch ich als Erwachsene in meinen Büchern, für meine Tochter Normalität ist. Gleichzeitig macht Lesen nicht jedem Menschen so viel Freude wie mir und das ist ja auch in Ordnung so. Dennoch sollten unsere Kinder Lesen lernen, um gut durchs Leben zu können und dabei können die oben genannten Impulse hoffentlich etwas helfen.
Wer abseits vom Lesen noch Lerntipps für den Umgang mit dem Kind und zum Beispiel Hausaufgaben oder Klausuren braucht, dem empfehle ich noch:
Und falls auch ADHS beim Lernen und Lesen eine Rolle spielt:

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