Kein Thema macht Eltern wohl so viel Druck und Sorge, wie ein Kind, was nicht Essen möchte. Und überall schwirren vermeintlich gute Ratschläge herum, wie damit umgegangen werden soll.
Schnell kommen Zweifel auf. Lasse ich meinem Kind zuviel durchgehen, wenn es nicht probieren muss? Übe ich zuviel Druck aus, wenn mein Kind immer probieren muss? Was macht das ganze mit den Gefühlen meines Kindes? Und was ist mit den gesundheitlichen Aspekten? Mein Kind braucht doch Nährstoffe! Es muss doch mal was probieren! Wie krieg ich mein Kind dazu?
Wir versuchen in diesem Blogpost etwas Licht ins Dunkel zu bringen und euch ein paar Impulse und passende Bücher vorzustellen, mit denen ihr euren eigenen Weg finden könnt.
Inhaltsverzeichnis
Picky Eating verstehen
Fast jedes Kind hat irgendwann Phasen, in denen es beim Essen wählerisch ist. Manche mögen phasenweise nur Nudeln ohne alles. Manche essen keinerlei Gemüse, andere nur nix Grünes. Da ist man als Elternteil schnell verunsichert. Aber in den meisten Fällen ist dieses picky eating ein ganz normaler Entwicklungsschritt. „In der psychologischen Forschung spricht man von picky eating oder picky eaters und beschreibt damit die Tendenz, lediglich eine sehr beschränkte Nahrungsmittelpalette zu mögen und zu sich zu nehmen, neuen Lebensmitteln gegenüber sehr skeptisch oder ängstlich eingestellt zu sein, sich zu weigern, etwas anderes als das gewohnte Essen zu probieren, verschiedene Gerichte aufgrund ihrer Konsistenz oder Textur abzulehnen.“ (Aus „Willst du nicht wenigstens mal probieren?“)
Im Kleinkindalter beginnen Kinder, ihre Umwelt selbstständiger zu erkunden – dazu gehört auch das Essen. Ab etwa zwei Jahren entwickelt sich der Geschmackssinn weiter, und viele Kinder lehnen unbekannte oder stark aromatische Speisen zunächst ab. Diese „Neophobie“ (Angst vor Neuem) ist evolutionär bedingt: In der Steinzeit war es überlebenswichtig, nicht alles Unbekannte sofort zu essen. Heute äußert sich das darin, dass Kinder skeptisch auf Neues reagieren – besonders eben bei Lebensmitteln mit unbekanntem Aussehen, Geruch oder Konsistenz. Picky Eating ist oft auch ein Ausdruck von Autonomie: Das Kind möchte selbst entscheiden, was es isst – und was nicht. Das gehört zur gesunden Entwicklung dazu. Auch sensible Sinneswahrnehmungen spielen eine Rolle. Manche Kinder reagieren intensiver auf Texturen oder Gerüche und lehnen deshalb bestimmte Lebensmittel kategorisch ab.

Der Einfluss der Eltern
Wie Eltern mit diesem Verhalten umgehen, kann viel bewirken. Aber auch nicht alles, denn Forschungen haben ergeben, dass auch viel an den Genen und persönlichen Vorlieben und Abneigungen liegt. Druck, Diskussionen oder gar Strafen führen jedoch oft dazu, dass sich die Ablehnung noch verstärkt oder in einem Teufelskreis gelandet wird. Diesen gilt es zu vermeiden.Stattdessen hilft es, das Verhalten nicht persönlich zu nehmen, Gelassenheit zu zeigen und positive Esserfahrungen zu ermöglichen. Kinder lernen am Modell – wenn Eltern selbst mit Genuss und Neugier essen, kann das Wunder wirken. Aber: „Wenn wir begeistert „Das schmeckt doch lecker!“ schwärmen, dann mag das für uns gelten, für unser Gegenüber aber noch lange nicht. Ähnliches gilt für das Mundgefühl: Während einer den Fettrand seines Steaks als saftig empfindet, ekelt sich der andere vor dessen gummiartiger Konsistenz.“ (Aus „Willst du nicht wenigstens mal probieren?“) Übrigens: Besonders häufig tritt picky eating auch im Rahmen von Neurodivergenz, speziell bei Autismus und ADHS, auf.
Was tun wenn mein Kind nichts probieren will - Also ist Probieren wichtig?
Wie bringe ich mein Kind dazu neues Essen zu probieren?
Viele Eltern wünschen sich, dass ihr Kind „einfach mal kostet“. Doch für Kinder ist das oft ein größerer Schritt, als es für Erwachsene scheint. Trotzdem ist das Probieren schon irgendwie ein zentraler Schlüssel, um Vielfalt beim Essen zu fördern – und langfristig eine ausgewogene Ernährung beim Kind zu ermöglichen.
Kinder müssen ein Lebensmittel nicht sofort mögen – es reicht, wenn sie bereit sind, es kennenzulernen. Der erste Kontakt mit einem neuen Essen ist wie ein vorsichtiges Kennenlernen: Anschauen, Riechen, vielleicht Anfassen oder mit der Zunge berühren – all das sind Schritte, die zum eigentlichen Probieren dazugehören. Jedes kleine Ausprobieren ist ein Erfolg!
Es wird gesagt, dass kleinere Kinder ein neues Lebensmittel oft 8 bis 15 Mal kosten müssen, bevor sie es akzeptieren, ältere noch häufiger. Der Geschmackssinn verändert sich mit der Zeit, und Wiederholungen helfen, neue Geschmacksrichtungen vertrauter zu machen. Deshalb ist es wichtig, dranzubleiben – ohne Druck!!
Dos and Don’ts im Umgang mit Picky Eatern
Mein Kind isst kein Gemüse – was kann ich tun / was sollte ich lassen:
• Do: Vorbild sein, Vielfalt anbieten bzw selber abwechslungsreich essen, Gelassenheit zeigen, Geduld haben, Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung, selbst Kenntnisse über Ernährung und Nährstoffe haben (siehe dafür auch Einmal kochen, alle happy!) und kindgerecht umsetzen
• Don’t: Zwang ausüben, Druck machen, Strafen oder Belohnungen mit Essen verknüpfen, Kind zum aufessen müssen drängen
Es gibt eine Vielzahl an Studien die belegen, dass Belohnungen a la „Wenn du dein Gemüse jetzt noch isst, gibt es gleich Nachtisch“ eher kontraproduktiv sind. Klar, manchmal haben sie einen kurzen Nutzen, wenn das Kind dann tatsächlich Gemüse isst. Langfristig verstärkt es Abneigungen jedoch und führt teilweise zu lebenslangem Vermeiden dieser Lebensmittel. (Aus „Willst du nicht wenigstens mal probieren?“)
Motivation statt Zwang: So klappt’s (vielleicht) mit dem Probieren
Tipps gegen wählerisches Essverhalten bei Kindern:
Als Eltern sind wir in der Verantwortung zu entscheiden, welche Nahrungsmittel wir wann anbieten. Die Kinder entscheiden selbst, wovon, ob und wie viel sie essen. Hilfreich: wenn zumindest immer ein Lebensmittel auf dem Tisch steht, was ein sogenanntes Safe food ist, welches das Kind also mag. Drumherum dürfen und sollten wir aber kochen und essen, was wir Eltern wollen und mögen. Und irgendwann probiert das Kind dann vielleicht, wenn es genügend oft mit den Lebensmitteln in Berührung gekommen ist.
Ebenfalls hilfreich: Lebensmittel vereinzelt in Schüsseln und Tellern zu präsentieren, denn sich berührende, gemixte Lebensmittel rufen häufig noch mehr Abneigung hervor.
Außerdem:
🍡 • Spielerische Herangehensweisen (z. B. Essens-Bingo, Farben entdecken, Nahrung mit allen Sinnen erleben, regenbogen-buntes Essen) und verabschieden vom alten Glaubenssatz „Mit Essen spielt man nicht“
🛒 • Einbindung beim Kochen und Einkaufen, Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung fördern
🥄 • Kleine Portionen zum Probieren anbieten, das Nein des Kindes diskussionslos akzeptieren
🍽️ • „Neutraler Probierteller“ als Option
⏳ • Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. Zeit geben
🌉 - Brücken bauen: „Das ist ähnlich wie …, nur mit einer anderen Füllung/Soße…“
Wenn es trotzdem schwierig bleibt und das Familienleben belastet, kann es natürlich gut sein, sich Hilfe zu hole: Bei der nächsten U-Untersuchung bei den Kinderärzt*innen ansprechen, eine Ernährungsberatung in Anspruch nehmen, mit Freund*innen sprechen und feststellen, dass das Essverhalten des Kindes vielleicht gar nicht so ungewöhnlich ist oder gute Bücher konsumieren. Die bisher erwähnten Bücher zum Thema Picky Eater und Essverhalten sind nicht nur für Kinder, sondern haben auch lange, wissenschaftliche Erklärungen sowie Tipps und Tricks für Eltern für wählerische Kinder dabei:
Igitt - Ich esse keine Bäumchen:

Natürlich gilt ansonsten immer: Geduld haben, milde im Herzen und zugewandt bleiben, Ruhe ausstrahlen, Vertrauen ins Kind haben.
Und: Wurde dann doch endlich mal etwas probiert, kann es je nach Kind sinnvoll sein, das nicht direkt total hervorzuheben. Manche mögen es gar nicht, wenn die Augen so auf sie und das Essen gerichtet sind und hören dann eher wieder auf mit Probieren. Also manchmal einfach: Ruhe bewahren.
Guten Appetit!
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